OLG Hamm, Urteil vom 11.02.2016,
18 U 42/15
Mit Urteil vom 11.02.2016 hat das OLG Hamm entschieden, dass
ein Vermieter von Gewerberaum nach Beendigung des Mietverhältnisses auch wegen einer
streitigen Forderung auf die hinterlegte Sicherungsleistung (hier eine
Bürgschaft) zurückgreifen darf.
Der Ausgangsstreit: Vor
dem OLG Hamm stritten eine Gewerberaumvermieterin und die Insolvenzverwalterin
der Gewerberaummieterin um die Inanspruchnahme der Kaution durch die
Vermieterin. Die ursprünglichen
Mietparteien waren über einen Gewerberaummietvertrag miteinander verbunden, der
zum 31.01.2014 beendet wurde. Die Mieterin hatte zuvor Insolvenz beantragen
müssen. Hierzu wurde am 01.01.2012 die Klägerin dieses Verfahrens zur
Insolvenzverwalterin über das Vermögen der ursprünglichen Mieterin bestellt.
Die Vermieterin machte eine Forderung in Höhe von 5.084,73 € geltend. Die
Parteien hatten in dem Mietvertrag die Mieterhöhung als sog. Indexklausel
vereinbart. Die Miete sollte immer dann entsprechend angepasst werden, wenn
sich der vom statistischen Bundesamt ermittelte Preisindex für die
Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland um mehr als fünf Punkte
ändert. Weiterhin war geregelt, dass die Vermieterin die Änderung „mitteilen wird“. Mit Schreiben aus
Februar 2012 machte die Vermieterin eine Mieterhöhung seit April 2008 um
97,13 € monatlich geltend. Nachdem die Klägerin sich geweigert hatte, auf
die Forderung zu leisten – sie bestritt die Automatik der Mieterhöhung –, forderte
die Vermieterin die Bürgin zur Leistung der verbürgten 3.700,00 € auf. Die
Bürgin leistete an die Vermieterin. Mit der Klage verlangte die
Insolvenzverwalterin u.a. die Rückzahlung der 3.700,00 € an sich.
Die Entscheidung:
Das OLG weist die Berufung der Insolvenzverwalterin zurück. Es erklärt, ohne
dies näher zu begründen, dass der Vermieter nach Beendigung des
Mietverhältnisses die Sicherheit auch wegen streitiger Ansprüche in Anspruch
nehmen kann. Eine Begründung, weshalb dies möglich sein soll, gibt die
Entscheidung nicht. Für das Wohnraummietrecht wurde diese Frage in einem Urteil
des BGH vom 07.05.2014 – VIII ZR 243/13 ausdrücklich offen gelassen. In der
Literatur wird die Meinung vertreten, dass auch im Gewerberaummietverhältnis
ein Rückgriff wegen streitiger Forderung auf die Kaution selbst im beendeten
Mietverhältnis nicht möglich sein soll.
Praxistipp: Die
Entscheidung ist aus Mietersicht deswegen interessant, weil sie die Gefahren
von sogenannten Automatikklauseln verdeutlicht. Die Vermieterin hat hier
aufgrund einer Mietanpassungsklausel, die sich nach dem Preisindex für die
Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland richtet, nachträglich
eine Mieterhöhung für dreieinhalb Jahre geltend gemacht. Preisindexklauseln
sehen regelmäßig vor, dass die Mieterhöhung automatisch eintritt, eine
ausdrückliche Erklärung des Vermieters ist zur Anpassung der Miete nicht
notwendig. Diese Automatik ist so „normal“, dass das OLG auch in dem hier
vorliegenden Fall eine Automatik annimmt, obwohl die Vertragsklausel, „Der
Vermieter wird die Änderung/ Erhöhung mitteilen“ , durchaus so ausgelegt werden
kann, dass die Parteien hier den Eintritt der Mieterhöhung von einer Erklärung
des Vermieters abhängig machen wollen. Vereinbart man eine solche Klausel,
sollte man also auch als Mieter die Veränderung des Preisindexes unbedingt
beobachten. Hier können unbemerkt hohe Forderungen auflaufen, die, sollte der
Mieter nicht innerhalb der durch den Vermieter gesetzten Frist leisten, auch
zur Zahlungsverzugskündigung führen können.