Mit zwei Beschlüssen vom 27.02.2014 sowie vom 20.03.2014
weicht erstmals eine der vier Berufungskammern des Landgerichts Berlin von der
bislang herrschenden Ansicht ab, eine Minderung der Miete wegen Baulärms sei in
Berlin regelmäßig nicht zulässig.
In Berlin gibt es derzeit insgesamt vier Kammern am
Landgericht, die für Berufungssachen im Mietrecht zuständig sind. Bislang wurde
von allen Kammern die Ansicht vertreten, dass in Innenstadtlagen mit
Bauaktivitäten zu rechnen ist. Dies soll zumindest dann gelten, wenn konkrete
Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten vorliegen (z.B. Baulücke, Lage des
Wohnhauses in einem Sanierungsgebiet). Nach dieser Ansicht sollen die Parteien mit
Abschluss des Mietvertrages konkludent vereinbart haben, dass ein solcher
Umweltmangel nicht zu einer geminderten Miete wegen Mängeln der Mietsache führt.
Dies wurde auch durch die 67. Kammer des Landgerichts noch mit Urteil vom
26.09.2013 – 67 S 251/13 vertreten.
Nunmehr macht die 67. Kammer eine vollständige Kehrtwende
und billigt Mietern doch ein Recht zur Minderung zu. Hintergrund der
Entscheidung ist, neben dem Wechsel des Vorsitzes in der 67. Kammer, dass der
Bundesgerichtshof mit Urteil vom (19.12.2012 – VIII ZR 152/12) den
Instanzgerichten vorgegeben hat, welche Voraussetzungen für die Annahme einer
konkludenten Vereinbarung gegeben sein müssen. Der bloße Abschluss eines
Mietvertrages reicht hierfür regelmäßig nicht aus, selbst wenn man auf die Idee
kommen müsste, dass in der Zukunft in der Umgebung gebaut werden könnte.
Ob sich die drei übrigen, in Berlin für das Mietrecht
zuständigen Berufungskammern des Landgerichts der Argumentation der 67. Kammer
anschließen werden, ist derzeit nicht bekannt. Diese Kammern hatten auch nach
dem Urteil des Bundesgerichtshofs an ihrer Rechtsprechung festgehalten. Eine Korrektur
ist daher eher unwahrscheinlich. Gleichzeitig wird es wohl auch keine abschließende
Entscheidung des Bundesgerichtshofes geben.
Die 67. Kammer ist derzeit für Berufungssachen der
Amtsgerichte Wedding, Mitte/Tiergarten sowie Spandau zuständig. Die
Geschäftsverteilung zwischen den einzelnen Kammern wechselt aber regelmäßig
(die letzte Änderung erfolgte im April 2014). Es ist deshalb derzeit für Mieter
und Vermieter nicht im Geringsten vorhersehbar, welche Kammer des Landgerichts
Berlin über eine Berufung in einer Mietsache entscheiden wird. Da die vier
Kammern jetzt vollkommen unterschiedliche Ansichten zur Berechtigung des
Mieters zur Minderung vertreten, ist nicht im Ansatz abzusehen, wie ein
Rechtsstreit wegen Baulärm von einem Nachbargrundstück am Ende entschieden wird.
Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten deshalb ein erhebliches Interesse
daran haben, Streitigkeiten ohne Einschaltung der Gerichte auszuräumen. Mieter
müssen unbedingt die Miete in voller Höhe unter dem Vorbehalt einer
angemessenen Minderung weiter leisten, um keine Kündigung zu riskieren.
Vermieter sind im Übrigen auch nicht schutzlos. Immissionen
von Nachbargrundstücken führen regelmäßig zu nachbarschaftsrechtlichen
Schadensersatzansprüchen gegen den Nachbarn. Der Vermieter kann daher die
Minderung seiner Mieter zumindest teilweise vom Bauherrn zurückerhalten.