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Arbeitsrecht:

Mitteilungspflichten und Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB

von Rechtsanwältin Jacqueline Stieglmeier  
Die Übertragung eines Betriebs oder eines Betriebsteils kann gemäß § 613 a BGB einen Betriebsübergang darstellen, wenn nach der Übertragung die Identität des Betriebs erhalten bleibt. Hierbei ist unter Umständen zu berücksichtigen inwieweit materielle Betriebsmittel, wie Gebäude oder bewegliche Güter auf den neuen Betriebsinhaber übergehen ebenso wie Belegschaft Kundschaft, etc. An einen Betriebsübergang sind eine Vielzahl von Pflichten und Folgen geknüpft. Wichtigste Folge für Arbeitnehmer ist der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber. Sowohl vom alten Arbeitgeber, als auch vom neuen Arbeitgeber sind umfassende Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten, die den Betriebsübergang betreffen zu beachten. Die Unterrichtungspflicht steht in engem Zusammenhang mit den Rechten der Arbeitnehmer, insbesondere mit dem Widerspruchsrecht. Arbeitnehmer können dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber, besteht das Arbeitsverhältnis weiter mit dem alten Betriebsinhaber. Die Erklärung des Widerspruchs kann gegenüber dem neuen Betriebsinhaber oder gegenüber dem alten Betriebsinhaber abgegeben werden. Nur wenn eine ordnungsgemäße Unterrichtung über den Betriebsübergang erfolgt ist, wird die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt. Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung wird die Frist zum Widerspruch ausgelöst. Das bedeutet, dass unter Umständen noch lange Zeit nach der Veräußerung des Betriebs- oder Betriebsteils der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen kann. Der Arbeitnehmer soll nach der Rechtsprechung so informiert sein, dass er sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Absatz 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts erhalten. Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Die Größe des übergehenden Betriebs spielt keine Rolle: Die Unterrichtungspflicht gilt ausnahmslos für jeden Betriebsübergang.

Die Unterrichtung durch den neuen oder den alten Betriebsinhaber hat vor dem Betriebsübergang in Textform zu erfolgen. Es muss gemäß § 613 a BGB unterrichtet werden über: 1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, 2. den Grund für den Übergang, 3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und 4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. Wenn die Unterrichtung der Arbeitnehmer über den Betriebsübergang erst nach dem Betriebsübergang erfolgt, wird die Widerspruchsfrist auch erst später in Gang gesetzt.

Die Unterrichtung über den Betriebsübergang hat nach § 613 a BGB in „Textform“ zu erfolgen. Das heißt, dass anders als bei einer Kündigung, eine Schriftform nicht erforderlich ist. Es reichen Kopien, Telefaxe unter Umständen auch E-Mails. Die in § 613 a Absatz 5 BGB genannten Tatsachen, über die zu informieren sind, eröffnen eine umfangreiche und umfassende Pflicht zur Unterrichtung. Zunächst ist der Zeitpunkt des geplanten Betriebsübergangs mitzuteilen. Mit dem Zeitpunkt des geplanten Übergangs ist der kalendermäßige Stichtag des Betriebsübergangs gemeint. Wenn dieser nicht feststeht, reicht es aus, wenn der voraussichtliche Zeitpunkt mitgeteilt wird. Es ist der Grund des Betriebsüberganges mitzuteilen. In erster Linie betrifft dies Angaben zum Rechtsgrund für den Betriebsübergang. So kommen z.B. in Betracht Kaufvertrag, Pachtvertrag, usw. Die Angabe des dem Betriebsübergang zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts allein reicht jedoch nicht aus. Den Arbeitnehmern müssen zusätzlich die unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang wenigstens in groben Zügen mitgeteilt werden, wenn sich die Gründe auf den Arbeitplatz auswirken können. Die Arbeitnehmer müssen über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs unterrichtet werden. Zu den rechtlichen Folgen des Betriebsüberganges gehören die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert einen Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, auf die Gesamtschuldnerschaft des Übernehmers und des Veräußerers. Für die Darstellung der Haftung von früherem Arbeitgeber und Übernehmer genügt nicht nur der Hinweis auf den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Es ist über das gesetzliche Haftungssystem beim Betriebsübergang vollständig zu informieren, wozu auch die Darstellung der begrenzten gesamtschuldnerischen Nachhaftung gehört. Nur durch eine vollständige Darstellung des Haftungssystems kann der Arbeitnehmer beurteilen, wer in welchem Umfang für welche seiner Ansprüche haftet. Grundsätzlich ist auch auf die kündigungsrechtliche Situation hinzuweisen. Sollten tarifliche Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden, eine Rolle spielen, muss hierüber auch nach § 613 a BGB unterrichtet werden. Zu der Unterrichtung über rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen sämtliche Schicksale von individualen und kollektiven Rechten und Pflichten, die sich aus Arbeitsverträgen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Pensionszusagen etc. ergeben können. Auch der Hinweis auf das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers darf nicht fehlen, ebenso wie Informationen über das Widerspruchsrecht – und dessen Frist. Über die wirtschaftliche Lage des Übernehmers, soweit sie sich auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, wie z.B. bei Kurzarbeit, ist gleichfalls zu unterrichten. Das gilt auch für in Aussicht genommene Maßnahmen, wie Informationen über Weiterbildungsmaßnahmen, Produktionsänderungen, Umstrukturierungen und andere Maßnahmen, die die berufliche Entwicklung der Arbeitnehmer betreffen, wie z. B. die Personalentwicklung

Nur wenn die Unterrichtung ordnungsgemäß erfolgte, wird überhaupt die Widerspruchsfrist des § 613 a BGB in Gang gesetzt. Unterbleibt die Unterrichtung oder ist sie nicht ordnungsgemäß, läuft die Widerspruchsfrist nicht. Wird der Widerspruch durch den Arbeitnehmer erhoben, wirkt dieser auf den Zeitpunkt des Betriebsüberganges zurück. Unter Umständen kann dem Widerspruch die Einrede der Verwirkung entgegengehalten werden.

Die Verwirkung stellt einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung dar. Verwirkung kann eintreten, wenn ein Anspruchsberechtigter, hier also der Arbeitnehmer, seinen Anspruch, hier der Widerspruch, sehr lange nicht geltend gemacht hat. Damit eine Verwirkung von Rechten eingetreten ist, müssen noch weitere besondere Umstände hinzutreten. Nur bei der unredlich verspäteten Geltendmachung von Rechten, kann überhaupt Verwirkung eintreten und die Ausübung der Rechte ausgeschlossen werden. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Es ist nicht ihr Zweck, den Anspruchsgegner von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Anspruchsinhaber längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Nach der Rechtsprechung muss der Berechtigte vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Eine feststehende Frist nach der von einer Verwirkung ausgegangen werden kann, existiert nicht. Schwierige Sachverhalte können eine längere Zeitspanne erfordern. Bei Betriebsübergängen kann wegen deren Komplexität ein Erfassen des Sachverhalts schwierig sein. Der Zeitablauf allein reicht für den Einwand der Verwirkung im Hinblick auf den Widerspruch gegen den Betriebsübergang nicht aus; es muss noch ein weiteres bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers hinzutreten. Der Arbeitgeber muss auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers davon ausgegangen sein dürfen, dass der Widerspruch nicht mehr ausgeübt werden würde. Dies weil der Arbeitnehmer den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Übernehmer akzeptiert habe und damit diesen als seinen neuen Arbeitgeber. Dazu reicht allerdings nicht aus, dass der Arbeitnehmer widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt. Auch Vereinbarungen mit dem neuen Betriebsinhaber über einzelne Arbeitsbedingungen, die zum Beispiel Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder Höhe der Arbeitsvergütung betreffen, reichen nicht aus. , Anders kann das aussehen bei Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Hierzu zählt ggf. der Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung.
 
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Rechtsanwältin Jacqueline Stieglmeier
 
Rechtsanwältin Jacqueline Stieglmeier Kanzlei Stieglmeier
Otto-Suhr-Alle 115
14050 Berlin (Charlottenburg)
Telefon: (030) 3000 760-0
Fax-Nr.: +49 30 3000 760-33
Tätigkeitsschwerpunkte: Arbeitsrecht, Arzthaftungsrecht, Mietrecht
<b>Interessenschwerpunkte:</b> Kassenarztrecht, Werkvertragsrecht, Medizinrecht
 
Beitrag erstellt am Sonntag, 10. Juli 2011
Letzte Aktualisierung: Sonntag, 10. Juli 2011


Verantwortlich für den Inhalt dieses Beitrags: Rechtsanwältin Jacqueline Stieglmeier
Arbeitsrecht Rechtsanwältin   Jacqueline Stieglmeier, Berlin Weitere Beiträge von Rechtsanwältin Jacqueline Stieglmeier
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