Was kann ich als Mieter eigentlich tun, wenn ich bemerke,
dass meine Wohnung oder mein Laden bei weitem kleiner sind, als es im
Mietvertrag steht? Solche sogenannten Flächenabweichungen benachteiligen
nämlich fast immer den Mieter, der dann Miete und Betriebskosten für Fläche
zahlt, die überhaupt nicht vorhanden ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann
diese zu viel gezahlte Miete – seit Beginn des Mietverhältnisses (!) –
zurückgefordert werden. Darüber hinaus stehen dem Mieter dann noch weitere
Ansprüche/Rechte zu. Seit 2004 beschäftigt sich der Bundesgerichthof intensiv
mit diesen Fragen. Ich möchte im Folgenden versuchen, Ihnen die Rechtsprechung
– in hoffentlich auch für Nicht-Juristen verständlichen Worten – darzustellen:
1. Wie wird die Wohn-/Gewerbefläche
im Mietrecht berechnet?
a) Weshalb ist die
Berechnungsmethode wichtig?
Um feststellen zu können, ob die tatsächliche Mietfläche
sich erheblich von der Mietfläche nach dem Vertrag unterscheidet, muss man
zunächst einmal klären, wie die Fläche überhaupt berechnet wird. Die Wahl der Berechnungsmethode
ist von Bedeutung, weil je nach Berechnungsmethode das Ergebnis stark variieren
kann. Als Beispiel aus dem Wohnraummietrecht:
- nach der DIN 283 sollen Balkone alleine mit 25% ihrer
Fläche als Wohnfläche angerechnet werden,
- nach der Zweiten Berechnungsverordnung steht es im Ermessen des Vermieters,
deren Fläche mit bis zu 50% anzurechnen,
- und nach der Wohnflächenverordnung soll eine Anrechnung in der Regel von 25%
und im Höchstfall von 50% möglich sein.
b) Gibt es eine
gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsmethode?
Nein, im BGB selber gibt es keinen Paragraphen, der für die
Mietverhältnisse zwingend vorgibt, wie die Fläche von Mieträumen berechnet
wird. Für den preisgebundenen Wohnraum – die Kostenmieten – wird die Berechnung
in der Wohnflächenverordnung geregelt (bis zum 31.12.2003 in den §§ 42 bis 44
der Zweiten Berechnungsverordnung). Aber: der Großteil aller Wohnraummieter hat
Verträge im preisfreien Wohnraum. Außerdem könnte man die Mietflächen noch nach
DIN-Normen berechnen: DIN 283 für Wohnraum und DIN 277 für den Gewerberaum.
c) Wie wird dann die
Fläche bei Wohnraummietverhältnissen berechnet?
1. Vereinbarung der
Parteien – Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – z.B. BGH VIII
ZR 86/08 – ist zunächst zu prüfen, ob die Parteien sich auf eine bestimmte Berechnungsmethode
geeinigt (z.B.: „Die Wohnfläche beträgt 100 m². Die Wohnfläche berechnet sich
nach der Wohnflächenverordnung.“) oder andere Vereinbarungen zur Fläche getroffen
haben (z.B. die vereinbarte Fläche des Hobbykellers und damit seine Berechnung
konkret ausgewiesen haben, AG Tempelhof-Kreuzberg 11 C 547/13).
2. Naheliegende
Berechnungsmethode – Wurde im Mietvertrag keine Berechnungsmethode vereinbart,
muss geprüft werden ob es eine ortsübliche oder aufgrund des Mietgegenstands
naheliegende allgemeine Regelung gibt.
3. Und im Zweifel
nach der Zweiten Berechnungsverordnung oder der Wohnflächenverordnung – Aber, in den meisten Fällen ist auch
das nicht der Fall. Dann soll sich die Fläche nach den zum Zeitpunkt des
Vertragsschluss für den preisgebundenen Wohnraum maßgeblichen Regelungen berechnen
(bis 31.12.2003 also §§ 42 bis 44 der Zweiten Berechnungsverordnung und seitdem
nach der Wohnflächenverordnung) – BGH VIII ZR 86/08.
d) Und im
Gewerberaum?
Für die Gewerberaummiete gilt ebenfalls, dass sich die
Berechnungsmethode zunächst nach einer Vereinbarung der Parteien und
anschließend nach einer naheliegenden Berechnungsmethode bestimmt.
Für Gewerberäume wird häufig die Berechnung nach der DIN 277
vereinbart. Nach der DIN 277 ist es auch möglich zu vereinbaren, dass
Allgemeinflächen und Technikflächen in die Berechnung mit einfließen. Die
Berücksichtigung solcher Flächen kann auch im normalen Fließtext des
Mietvertrages vereinbart, also in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Mietvertrages
versteckt werden, OLG Düsseldorf I-10 U 112/13.
Ist eine Berechnungsmethode weder ausgewählt, noch
naheliegend, kann der Vermieter die ihm günstigste Berechnungsmethode auswählen
(OLG Düsseldorf 24 U 56/11).
2. Ist jede
Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vereinbarten Fläche von
Bedeutung?
Nein, regelmäßig wird eine Abweichung erst dann bedeutsam,
wenn sie mehr als 10% von der vereinbarten Fläche beträgt. Aber Vorsicht, immer
wenn der Jurist regelmäßig sagt, meint er, dass es auch Ausnahmen von der Regel
geben kann!
Die Frage, ob eine Abweichung von der vereinbarten Fläche
Konsequenzen hat, soll nach Ansicht des Bundesgerichtshofs danach beantwortet
werden, ob der Mieter wegen Mangels der Mietsache zur Minderung der Miete
berechtigt ist.
a) Eine
Flächenabweichung zuungunsten des Mieters ist ein Mangel der Mietsache
Ein Mangel besteht allgemein gesagt dann, wenn die
tatsächliche Beschaffenheit nachteilig von der vertraglich vereinbarten
Beschaffenheit abweicht – im Juristendeutsch spricht man vom Ist- und Soll-Zustand.
Tatsächliche Beschaffenheit ist die tatsächlich vorhandene
Fläche.
Vereinbarte Beschaffenheit ist die häufig im Mietvertrag enthaltene
Flächenangabe. Denn mit einer solchen Flächenangabe will der Vermieter für die
Richtigkeit dieser Angabe einstehen (sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung – BGH
VIII ZR 295/03). Ist in dem Mietvertrag selber keine Fläche vereinbart, kann
sich eine Vereinbarung noch aus den Vertragsverhandlungen der Parteien ergeben
(z.B. durch Angaben in einem Inserat oder Übergabe eines Exposés mit
Flächenangabe – BGH VIII ZR 256/09). Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs will der Vermieter für die Flächenangabe auch dann
einstehen, wenn vor der Mietfläche ein „ca.“ steht – BGH VIII ZR 144/09.
Achtung! In neueren Mietverträgen wird häufig erklärt, dass
mit der Flächenangabe keine Beschaffenheit vereinbart werden soll. Ein solcher
Hinweis schließt eine Beschaffenheitsver-einbarung und damit einen Mangel aus (BGH
NJW 2011,220). Die fehlerhafte Flächenangabe bleibt dann zunächst einmal ohne
Konsequenz und wird erst bei einer hiermit begründeten Mieterhöhung bedeutsam.
Begründet der Vermieter eine Mieterhöhung mit einer
fehlerhaften Fläche, ist für die Frage einer Flächenabweichung immer diese
Fläche maßgeblich, selbst wenn im Mietvertrag keine Fläche genannt oder aber
erklärt wird, dass es sich hierbei nicht um eine verbindliche Vereinbarung
handeln soll (BGH VIII ZR 192/03).
b) Aber, nur ein
erheblicher Mangel berechtigt zur Minderung! / Die 10%-Grenze
Also, weichen tatsächliche Größe und vereinbarte Größe
voneinander ab, liegt ein Mangel der Mietsache vor. Aber, wie oben bereits
gesagt, Folgen hat ein solcher Mangel nach dem BGH nur dann, wenn er auch zur
Minderung der Miete berechtigt. Dies ist nur bei nicht unerheblichen Mängeln
der Fall (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB).
Weiter meint der Bundesgerichtshof, dass es zur
Rechtsicherheit und für die Rechtsanwendung notwendig ist, eine klare Grenze festzulegen,
bei deren Überschreitung ein Mangel nicht mehr nur unerheblich ist und bei
deren Unterschreitung regelmäßig Wohnflächenabweichungen keinerlei Folgen haben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH seit 2004 liegt diese Grenze bei einer
Abweichung von mehr als 10%. Wird diese 10%-Grenze überschritten, besteht für eine
Wohnung die unwiderlegliche Vermutung eines Mangels – BGH VIII ZR 295/03.
c) Gibt es Ausnahmen
von der 10%-Grenze?
Vor allem im Gewerberaummietrecht lassen sich
Fallgestaltungen vorstellen, bei denen von dieser festen Grenze Ausnahmen nach
oben und nach unten gemacht werden können.
Sowohl das Kammergericht, als auch das OLG Dresden haben,
wenn die Parteien eine Quadratmetermiete vereinbart haben, bereits entschieden,
dass auch bei geringeren und geringsten Abweichungen die Miete angepasst wird (OLG
Dresden 5 U 1890/13).
Andererseits hat der Bundesgerichtshof in einer
Gewerberaummietsache bereits festgestellt, dass eine Minderung geringer
ausfällt, wenn von der Flächenabweichung im Wesentlichen Nebenflächen betroffen
sind (BGH XII ZR 97/09).
3. Konsequenzen
Wenn man zu dem Ergebnis kommt, das die tatsächliche von der
vereinbarten Mietfläche sich um mehr als 10% unterscheidet, sind die
Konsequenzen für die Parteien erheblich.
a) Miete
Die Miete wird prozentual an die tatsächlich vorhandene
Fläche angepasst.
Beispiel: lag die vereinbarte Miete bei 1.000,00 EUR, wird
bei einer Abweichung der Fläche um 15% auch die Miete um 15% gesenkt, die
geschuldete Miete beträgt monatlich nur noch 850,00 EUR. Angepasst werden sowohl
die Nettokaltmiete als auch die Vorschüssen auf die Betriebs- und Heizkosten.
Im Gewerberaum kann die Anpassung allerdings geringer ausfallen,
wenn die Unterschreitung eindeutig Nebenflächen zuzuordnen ist (z.B. in dem
Mietvertrag sind Flächen von Geschäftsräumen und Keller separat ausgewiesen und
die Flächenabweichung betrifft zum weit überwiegenden Teil die Kellerfläche, BGH
XII ZR 97/09).
b) Rückzahlung
überbezahlter Miete
Der Mieter kann die Miete zurückverlangen, die er seit
Beginn des Mietverhältnisses zu viel bezahlt Miete hat! Der Anspruch auf
Rückzahlung verjährt – zumindest seit 2002 – erst innerhalb von 30 Jahren, bzw.
3 – 4 Jahre nach Kenntnis von der Flächenabweichung. Vor dem 01.01.2002 galten
noch andere Verjährungsregeln, so dass zuvor zu viel geleistete Miete nicht
zurückverlangt werden kann.
c) Rückzahlung von
zuviel geleisteten Betriebs- und Heizkosten
Außerdem kann der Mieter eine Nachberechnung der
Nebenkostenabrechnungen verlangen.
d) Kündigung
Der Mieter kann den Mietvertrag aufgrund des Mangels nach §
543 BGB außerordentlich fristlos kündigen. Hierfür ist ausnahmsweise keine
vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung notwendig, da der Mangel nicht
behoben werden kann (BGH VIII ZR 142/08).
e) Mieterhöhungen
Wurde die Miete seit Beginn des Mietverhältnisses erhöht,
sind diese Erhöhungen an die tatsächliche Wohnfläche anzupassen. Zukünftige
Mieterhöhungen sind selbstverständlich anhand der tatsächlichen Größe zu
berechnen (BGH VIII ZR 192/03).
Wurde die Mietfläche ausnahmsweise in dem Mietvertrag zu
gering angegeben, hat auch der Vermieter das Recht, die Miete anzupassen (BGH
VIII ZR 138/06).
f) Kaution
Letztlich ist auch die nach der Höhe der Nettokaltmiete
berechnete Mietkaution anzupassen. Zu viel geleistete Kaution ist an den Mieter
auszuzahlen, bzw. eine andere Sicherheit entsprechend anzupassen (BGH, NJW
2005, 2773).