Mit Urteil vom 29.04.2015 hat der Bundesgerichtshof der Revision von Vermietern stattgegeben, nachdem die Mieter wegen eines lauten "Bolzplatzes" die Miete gemindert hatten. Die Sache wurde vom BGH an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Ausgangsstreit: Der Mietvertrag
wurde im Jahr 1993 geschlossen. Die Wohnung der Beklagten liegt im
Erdgeschoss. Mitvermietet ist eine Terrasse. Unmittelbar an das
Wohngrundstück grenzt ein Schulgelände. Im Jahr 2010 wurde in 20
Meter Entfernung von der Terrasse auf diesem Schulgelände ein
Bolzplatz errichtet, der von einem Metallzaun umgrenzt ist. Der
Bolzplatz ist für Kinder bis zu 12 Jahren bestimmt, welche auf
diesem bis 18 Uhr werktags spielen dürfen. Die Mieter minderten die
Miete, da auch außerhalb der erlaubten Zeiten Jugendliche auf dem
Bolzplatz gespielt haben sollen.
Die Entscheidung: Nachdem die Klage des
Vermieters auf Nachzahlung der geminderten Miete noch von Amtsgericht
und Landgericht zurückgewiesen wurde, hat der Bundesgerichtshof dem
Vermieter nunmehr in entscheidenden Punkten Recht gegeben. Ein Mangel
der Mietsache liegt nur dann vor, wenn der tatsächliche Zustand vom
vertraglich geschuldeten Zustand abweicht. Der vertraglich
geschuldete Zustand wiederum bestimmt sich nach den Vereinbarungen
der Vertragsparteien, die auch konkludent zustande kommen können.
Gegenstand einer solchen Vereinbarung können auch Umstände sein,
die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken, wie z.B.
Lärmimmissionen. Fehlt eine solche Parteiabrede, bestimmt sich der
geschuldete Zustand nach dem nach vertragsgemäßem Gebrauch
geeigneten Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten
Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben nach der
Verkehrsanschauung.
Zunächst einmal stellt der
Bundesgerichtshof fest, dass die Parteien keine konkludente
Vereinbarung dahingehend geschlossen haben, dass sich das Lärmniveau
im Laufe der Mietzeit nicht steigern dürfe. Für eine konkludente
Vereinbarung ist es notwendig, dass der Vermieter aus dem Verhalten
des Mieters erkennen kann, dass der Mieter bestimmte Umstände über die
Dauer des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für
den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht. Darüber hinaus
genügt eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters nicht aus.
Vielmehr muss der Vermieter der Vorstellung des Mieters auch durch
sein Verhalten zustimmen. Gerade bei Lärmimmissionen sei es aber so,
dass der Vermieter häufig keinen Einfluss darauf habe, ob die zu
Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des
Mietverhältnisses unverändert fortbestünden. Er habe deshalb, so
der BGH, regelmäßig keinen Willen, für ein bestimmtes Lärmniveau
während der gesamten Mietzeit einzustehen.
Im Anschluss prüft der
Bundesgerichtshof dann, ob sich aus dem Nutzungszweck der Wohnung
nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses eine bestimmte
Beschaffenheit ergibt. Hierbei ist nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs vor allem zu berücksichtigen, welche Regelung die
Parteien bei sachgerechte Abwägung der beiderseitigen Interessen
nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als
redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei
Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung bewusst
gewesen wäre. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs würden sie dann
für von außen einwirkende Lärmimmissionen vereinbaren, dass diese
nicht zu einem Mangel und damit zu einer Mietminderung führten, wenn
auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder
Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich
hinnehmen müsste. Die Parteien hätten sich dann darauf verständigt,
die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel
der Mietwohnung anzusehen, wenn die Kläger selbst die Immission gem.
§ 906 BGB nicht entschädigungslos dulden müssten. Der
Bundesgerichtshof hat die Sache an das Landgericht zurückverwiesen,
da zu diesen Fragen noch vorgetragen werden soll.
Praxishinweis: Die Entscheidung ist auch von Bedeutung
für die gerade in Berlin häufig problematische Frage von
Bautätigkeiten Dritter. Als Nachbar bin ich gem. § 906 Abs. 2
Satz 1 BGB verpflichtet, auch wesentliche Beeinträchtigungen durch
eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks wie z. B. eine
zulässige Bebauung hinzunehmen. Ausgenommen sind nur solche
Beeinträchtigungen, die durch Maßnahmen verhindert werden können,
die dem Nachbarn wirtschaftlich zuzumuten sind. Um eine Mietminderung
durchzusetzen muss in Zukunft der Mieter gegenüber dem Vermieter
nachweisen, dass entweder die Bauarbeiten auf wirtschaftliche Weise
mit geringeren Beeinträchtigungen durchgeführt werden könnten oder
aber durch übermäßige Verzögerung der Bauarbeiten die Dauer der
Beeinträchtigung unverhältnismäßig ist. Übliche Bautätigkeiten
auf Baugrundstücken werden deshalb in Zukunft von Mietern ohne
Minderung hinzunehmen sein.