In einer umfassend begründeten Entscheidung vom 17.05.2018
hat sich das Oberlandesgericht Rostock mit der Frage beschäftigt, ab wann ein
Aufheizen von Geschäftsräumen einen Mangel der Mietsache darstellt. Das
Oberlandesgericht hat der Mieterin von Räumen, in denen ein Modegeschäft
betrieben wird, eine Minderung von 25% der Nettokaltmiete zugestanden, da die
Raumtemperaturen regelmäßig 26°C überschritten und 20°C unterschritten haben.
Der Ausgangsstreit
Der Mietvertrag stammt aus dem Jahr 2003. Nachdem das Objekt
zweimal veräußert wurde, trat die jetzige Vermieterin zum 01.06.2012 in den
Mietvertrag ein. Zum Zeitpunkt des Eintritts minderte die Mieterin die Miete wegen
fehlerhafter Funktionsfähigkeit der Be- und Entlüftungsanlage und damit
verbunden Temperaturüber- und -unterschreitungen um 25% der Nettokaltmiete. Auch
die Klägerin als neue Vermieterin nahm diese Minderung in dem Zeitraum von Juni
bis November 2012 unbeanstandet hin. Außerdem war die Fehlerhaftigkeit der Klimaanlage
Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen der neuen und der vorherigen
Vermieterin.
Die Vermieterin ist der Ansicht, dass ein Mangel der
Mietsache durch Arbeiten an der Klimaanlage im November 2012 behoben wurde. Sie
meint, dass nach Abschluss der Arbeiten ein Mangel durch die Mieterin nachgewiesen
werden müsste. Sie macht mit ihrer Klage die ab Januar 2013 zu wenig geleistete
Miete geltend, nachdem die Mieterin diese weiter gemindert hatte. Das
Landgericht hatte der Vermieterin Recht gegeben und die Mieterin zur Zahlung
der Miete verurteilt.
Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht hebt das erstinstanzliche Urteil auf
und weist die Klage der Vermieterin ab. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts
bestand ein Mangel der Mietsache.
Eine Mietsache ist dann mangelhaft, wenn der tatsächliche
Zustand von dem vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Dieser
vertraglich vorausgesetzte Zustand ergibt sich zunächst aus den Vereinbarungen
der Vertragsparteien. Haben die Parteien zu dem vertraglichen Zustand keine
ausdrückliche Vereinbarung abgeschlossen, kann er sich aber auch aus dem
Vertragszweck (hier Vermietung als Modegeschäft), ggf. dem, was nach der
allgemeinen Verkehrsanschauung für die Erfüllung des Vertragszwecks
erforderlich ist, welchen Zustand der Mieter zur Erreichung des Vertragszwecks
erwarten kann, bestimmen.
Da in den Räumen nach dem Vertrag ein Modegeschäft betrieben
werden sollte, durfte der Mieter in den Mieträumen ein Raumklima und eine
Innentemperatur erwarten, die für den Betrieb eines solchen Geschäfts, in denen
Mitarbeiter beschäftigt sind und Kunden Kleidungsstücke auswählen und
anprobieren, üblich sind. Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass
sich ein Mangel schon dadurch herleiten lässt, dass die Richtwerte der
Arbeitsstättenverordnung und der sie konkretisierenden Arbeitsstättenrichtlinie
nicht eingehalten werden. Demnach soll in Arbeitsräumen regelmäßig eine
Raumtemperatur von 26°C (bei Außentemperaturen von bis zu 32°C) nicht
überschritten werden. Darüber hinaus ist aufgrund des Vertragszwecks
„Modegeschäft“ zu berücksichtigen, so dass Oberlandesgericht, dass Kunden in
den Geschäftsräumen bestimmungsgemäß sich aus- und umziehen. Wenn in den
Geschäftsräumen aber hohe Temperaturen herrschen, besteht die Gefahr, dass die
Kunden dies als unangenehm empfinden und dann das Geschäft meiden.
Den Einwand der Vermieterin, die Mieterin hätte nach
Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten nicht nachgewiesen, dass der Mangel
noch besteht, verwirft das Oberlandesgericht. Zwar sei es zunächst Aufgabe des
Mieters, einen Mangel und die Umstände, aus denen sich der Umfang der
Gebrauchstauglichkeit herleiten lässt, vorzutragen und zu beweisen. Wenn es
aber unstreitig ist, dass ein Mangel bestand und der Vermieter behauptet, er
habe diesen beseitigt, reicht es zunächst aus, dass der Mieter dies bestreitet.
Dann sei es an dem Vermieter, die Beseitigung des Mangels vorzutragen und zu
beweisen. Die Vermieterin sei dies nicht gelungen.
Praxistipp
Es ist vorhersehbar, dass in Zukunft die Klimatisierung von
Geschäftsräumen von zunehmender Bedeutung sein wird. Arbeitgeber haben aus der
Arbeitsstättenverordnung eine Verpflichtung gegenüber ihren Arbeitnehmern,
bestimmte Temperaturen herzustellen (auch, wenn die Grenze von 26°C alleine als
„Soll-Bestimmungen“ vorgesehen ist). Verstößt der Arbeitgeber gegen die
Grundsätze der Arbeitsstättenverordnung, drohen ihm Bußgelder.
In der Rechtsprechung und Literatur ist es hoch umstritten,
ob Vermieter von Geschäftsräumen, in denen sich Arbeitnehmer aufhalten,
gegenüber dem Mieter verpflichtet sind, die Voraussetzungen der
Arbeitsstättenverordnung zu erfüllen. Der Mieter befindet sich dann aber zwischen
den Fronten. Gegenüber seinen Arbeitnehmern ist er zur Einhaltung der
Arbeitsstättenverordnung verpflichtet. Er kann nach Ansicht eines Teils der
Gerichte (insbesondere jedenfalls bis 2012 auch nach dem Kammergericht) gegenüber
dem Vermieter nicht verlangen, dass das Mietobjekt diese Voraussetzungen
einhält. Solange eine Entscheidung des BGH zu dieser Frage aussteht, werden
hier beide Seiten eine erhebliche Unsicherheit darüber haben, wer welche
Verpflichtungen hat.
Vertragsparteien sollten sich daher von Anfang an Gedanken darüber machen, wer
im Zweifelsfall bei steigenden Temperaturen im Sommer dazu verpflichtet ist,
die Temperaturen im Inneren zu gewährleisten. Ein Einbau einer Klimaanlage
stellt ja auch für den Vermieter eine Wertsteigerung seines Objekts dar. Wird
ein solcher Einbau vereinbart, können auch die Betriebskosten der Klimaanlage
auf den Mieter umgelegt werden.