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Erbrecht:

Zur Wirksamkeit eines Ehegattentestaments bei der Aussetzung des Scheidungsverfahrens

von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig  

Das OLG Oldenburg (Beschluss v. 26.09.2018 - 3 W 71/18) hatte kürzlich über eine Erbstreitigkeit zwischen einer verwitweten Frau und ihrer Adoptivtochter zu entscheiden. Beide hielten sich für die Alleinerbin des verstorbenen Ehemannes. Im letzten Willen des Ehemannes hatte dieser die gemeinsame Adoptivtochter ohne das Wissen seiner Ehefrau als seine Alleinerbin eingesetzt. Allerdings lag auch ein Berliner Testament  der Ehegatten vor, nachdem die Ehefrau Erbin werden sollte.

Das Berliner Testament

Das sogenannte Berliner Testament ist eine bestimmte Gestaltungsform der letztwilligen Verfügung unter Eheleuten. Dabei setzen sich die Ehepartner als gegenseitige Alleinerben ein und schließen die Abkömmlinge des Verstorbenen im ersten Erbfall von der Erbfolge aus. Erst mit dem Tod des zuletzt verstorbenen fällt der Nachlass an einen Dritten, im Regelfall an die Kinder des Ehepaares. Hintergrund einer solchen Regelung ist, den verbleibenden Ehepartner bestmöglich zu versorgen und eine Erbengemeinschaft mit den Kindern zu verhindern. Würden die Abkömmlinge nach der gesetzlichen Erbfolge miterben, bliebe dem Ehepartner nur ein Teil des Nachlasses. Je nach Art der Vermögenswerte könnte dies zum Beispiel dazu führen, dass die bis zum Tode gemeinsam bewohnte Immobilie verkauft werden müsste, um die Erbengemeinschaft aufzulösen.

Die Grenzen der Testierfreiheit

In Deutschland gilt der Grundsatz der Testierfreiheit. Der Ehemann konnte grundsätzlich bedenken wen er wollte, also auch seine Tochter. Die Testierfreiheit ist jedoch begrenzt durch die sogenannte Bindungswirkung wechselseitiger Bezüge. Wer sich in einem gemeinschaftlichen Testament bereits wirksam gebunden hat, kann hiervon nicht mehr ohne weiteres abweichen. Bei dem Berliner Testament liegen, wenn nicht etwas anderes vereinbart wird, in der Regel bindende wechselseitige Bezüge zwischen den verfügenden Ehegatten vor. So auch im vorliegenden Fall. Solange also ein wirksames Testament zugunsten der Ehefrau vorliegt, ist die neue Verfügung zugunsten der Tochter unwirksam. Doch gerade die Wirksamkeit des Ehegattentestaments war hier fraglich.

Eheleute setzten Scheidungsverfahren aus

Grundsätzlich wird nämlich das Berliner Testament im Falle der Scheidung unwirksam. Das gilt ab dem Zeitpunkt in dem die Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen und der Erblasser die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag bereits zugestimmt hat, spätestens aber wenn die Eheleute tatsächlich geschieden werden. Das Paar hatte das Testament im Jahr 2012 verfasst und sich bereits ein Jahr später getrennt. Nach dieser Trennung setzte der Ehemann das neue Testament auf und verfügte ausdrücklich, dass seine Frau hiervon nichts erfahren sollte. Seine Noch-Ehefrau reichte später die Scheidung ein, wozu er vor Gericht zustimmte. Die Eheleute entschieden sich dann jedoch dafür, das Scheidungsverfahren auszusetzen, um ihrer Ehe im Rahmen eines Mediationsverfahrens noch eine Chance zu geben. Kurz darauf verstarb der Ehemann. Die Oldenburger Richter hatten nun zu entscheiden, ob das gemeinschaftliche Testament trotz Aussetzung des Scheidungsverfahrens bereits unwirksam geworden war.

OLG erklärt Testament trotzdem für unwirksam

Das Gericht stellte klar, dass die Voraussetzungen der Scheidung bereits vorlagen. Insbesondere, da die Eheleute bereits seit über drei Jahren getrennt lebten. Ab einer Trennungszeit von drei Jahren wird gemäß § 1566 Abs. 2 BGB vermutet, dass die Ehe gescheitert ist. Auch wenn in dieser Zeit keiner der Ehegatten die Scheidung beantragt hat. Zudem wurde bereits der Scheidungsantrag gestellt und der Ehemann hatte dem zugestimmt. Damit wurde das Testament gemäß §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Wille des Ehemannes zur Durchführung eines Mediationsverfahrens lasse seine ursprünglich Zustimmung zur Scheidung nicht rückwirkend entfallen.

Auch eine Ausnahme nach § 2268 Abs. 2 BGB verneinten die Richter. Demnach behält ein Testament auch im Scheidungsfall seine Gültigkeit, wenn anzunehmen ist, dass dies von den Eheleuten beim Verfassen des Testaments so beabsichtigt war. Hinweise auf eine solche Absicht konnte das OLG in diesem Fall nicht finden. Sie hielten das Berliner Testament daher für unwirksam. Die heimliche letztwillige Verfügung zugunsten der Adoptivtochter war damit das einzig wirksame Testament und sie die Alleinerbin.

Vorsicht beim Berliner Testament

Das Berliner Testament ist eine äußerst beliebte Form unter Eheleuten. Es hält jedoch auch einige Fallstricke bereit. Um Erbstreitigkeiten zu verhindern und den Familienfrieden nicht zu gefährden, sollten daher mögliche Zukunftsszenarien durchdacht und berücksichtigt werden. Erfahrungsgemäß fällt es glücklichen Ehepaaren schwer, auch den Trennungsfall ausreichend zu bedenken. Ein erfahrener Rechtsbeistand kann hier hilfreich sein. Daneben gibt es auch andere Fragen, zum Beispiel bezüglich der Erbschaftssteuer oder etwaigen Pflichtteilsberechtigten, bei denen eine rechtliche Beratung Ärger ersparen kann.

 
Wünschen Sie weitere Informationen oder möchten Sie einen Termin für eine Erstberatung vereinbaren, dann wenden Sie sich bitte an:
 
Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig
 
Rechtsanwalt Ronny Jänig ROSE & PARTNER - Rechtsanwälte Steuerberater
Jägerstr. 59
10117 Berlin (Mitte)
Telefon: 030 / 25761798-0
Fax-Nr.: 030 / 25761798-9
Tätigkeitsschwerpunkte: Gesellschaftsrecht, Handelsrecht, Handelsvertreterrecht, Steuerrecht, Wirtschaftsrecht
 
Beitrag erstellt am Donnerstag, 20. Dezember 2018
Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 20. Dezember 2018


Verantwortlich für den Inhalt dieses Beitrags: Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig
Erbrecht Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig, Berlin Weitere Beiträge von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig
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