Warum macht es Sinn, vor einem Wohnungskauf sowohl den
Kaufvertragsentwurf wie auch die anderen Unterlagen von einem Rechtsanwalt
prüfen zu lassen? Weil es zwei wichtige Themenkomplexe gibt, mit denen sich der
Notar nicht befasst und auch gar nicht befassen darf.
Dies wird schnell deutlich, wenn man sich die Rolle des
Notars vor Augen führt. Der Notar hat bei der Abwicklung des Kaufvertrages eine
sehr wichtige, aber zugleich auch sehr eingeschränkte, Funktion: Er sorgt „nur“
dafür, dass in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht „alles glatt läuft“, also
dass der Käufer Eigentümer wird und dass der Verkäufer den Kaufpreis erhält.
Das ist nicht unkompliziert und dazu sind einige Schritte notwendig, denn
beides soll ja „Zug-um-Zug“ erfolgen: der Käufer soll erst dann Eigentümer
werden wenn gesichert ist, dass der Verkäufer den Kaufpreis erhält und
umgekehrt. Der Notar prüft daher zum Beispiel im Vorfeld ob der Verkäufer
Eigentümer ist und sorgt im Rahmen der Abwicklung dafür, dass zu Gunsten des
Käufers eine so genannte Vormerkung eingetragen wird, dass der Käufer
lastenfreies Eigentum erhält und der Verkäufer auch erst dann den Kaufpreis
ausgezahlt bekommt, wenn der Käufer hinsichtlich des Eigentumserwerbs
ausreichend abgesichert ist. Letztlich sorgt er also dafür, dass das
Ablaufprogramm, welches in seiner Urkunde enthalten ist, funktioniert und dass
die Urkunde daher „am Ende des Tages“ vollständig vollzogen ist. Der Notar
beantwortet auch alle Fragen die sich bezüglich dieser Themen ergeben. Er ist
also verpflichtet, im Rahmen der Beurkundung oder auch schon im Vorfeld -
schriftlich oder gegebenenfalls in einem Vorgespräch – den Inhalt seiner
Urkunde zu erläutern und den Beteiligten zu erklären, was mit den einzelnen
Bestimmungen gemeint ist. Das ist sehr gut und auch sehr wichtig und hat daher
seine Berechtigung.
Allein das ist aber aus Sicht der jeweiligen Partei nicht
genug, um sicher zu gehen, dass das Kaufobjekt auch das richtige ist und dass
der Kaufvertrag die eigenen Interessen ausreichend widergibt.
Denn wozu der Notar nicht berät – und was ihm aufgrund
seiner gesetzlich vorgeschriebene Neutralität auch verboten ist - ist die Frage
nach der Wirtschaftlichkeit und der „Sinnhaftigkeit“ des Erwerbs eines
bestimmten Objekts. Der Notar wird (außer in Fällen der Sittenwidrigkeit oder
anderen Gesetzesverstößen) sich nicht dazu äußern ob er den Kaufpreis für
angemessen hält oder ob aus seiner Sicht andere Nachteile mit einem bestimmten
Kaufobjekt verbunden sind. Dies meint, dass es schon aus diesem Grund sinnvoll
ist, die weiteren Unterlagen prüfen zu lassen. Um ein Beispiel zu nennen: aus
den Protokollen über die Eigentümerversammlungen lässt sich sehr viel über das
Innenleben der WEG (dessen Zwangsmitglied Sie im Fall des Kaufs werden)
ablesen. Bereits aus der Dauer der Versammlung, der An- oder Abwesenheit und
auch aus dem Abstimmungsverhalten lässt sich bereits einiges über den Zustand
(der Zerstrittenheit?) erfahren. Und auch aus den weiteren Beschlüssen und
Diskussionen lässt sich einiges ablesen hinsichtlich der Frage ob hier in
Zukunft noch weitere Kosten (welche sich nicht dem Kaufvertrag entnehmen
lassen) auf den potentiellen Käufer zukommen.
Der Notar verwendet darüber hinaus bei der Erstellung eines
Entwurfs „sein Standardformular“, welches sich in der Vergangenheit bewährt
hat. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden, denn aufgrund der bereits
skizzierten Neutralität soll der Notar einen ausgewogenen und für beide
Parteien fairen Vertrag erstellen. Es gibt aber bereits aus diesem Grund immer
Optimierungsmöglichkeiten, da der Notar nicht den für eine Seite günstigsten
Vertrag entwirft. Da aber der Notar stets den Willen der Beteiligten umsetzen
soll und daher verpflichtet ist, gewünschte Änderungen aufzunehmen, ergibt sich
hier oft ein großer Verhandlungsspielraum; und wenn beispielsweise eine Partei
ein Rücktrittsrecht für einen bestimmten Fall (z.B. „Kaufpreis wird trotz
Fälligkeit nicht innerhalb von 4 Wochen gezahlt“) aufgenommen haben möchte, und
die andere Partei dem zustimmt, dann wird dies so in die Urkunde aufgenommen.
Der Notar würde dies aber von sich aus nicht tun, denn damit würde er seine
Neutralitätspflicht verletzen.
Gleiches gilt z.B. für die Thematik „mitverkauftes Mobiliar
oder auch „mitverkaufte Einbauküche“. Beides kann sich dahin gehend auswirken,
dass ein geringerer Betrag zur Berechnung der Grunderwerbssteuer anzusetzen
ist. Dies muss dem Notar aber mitgeteilt werden, ansonsten wird dies nicht
thematisiert.
Aus diesem Grund macht es Sinn, den Entwurf nach
Optimierungsmöglichkeiten durchzusehen und gegebenenfalls Verhandlungen mit der
anderen Seite aufzunehmen und auch den Notar auf tatsächliche Gegebenheiten,
wie den Verkauf von Mobiliar o.ä., hinzuweisen.
Sie sehen, dass es daher sinnvoll ist, flankierend zu der
rein auf den „Durchführungserfolg“ gerichteten Tätigkeit des Notars einen
Rechtsanwalt damit zu beauftragen, den Kaufvertrag dahingehend prüfen zu
lassen, ob und inwiefern noch rechtliche Optimierungsmöglichkeiten bestehen und
zweitens die Erfahrung des Rechtsanwalts zu nutzen, diesen abschätzen zu
lassen, „wo Sie da möglicherweise reingeraten“. Denn auch wenn der Kaufpreis
attraktiv ist und auch die übrigen Parameter zu stimmen scheinen: möchten Sie
Mitglied in einer Gemeinschaft werden, in welcher ständig Rechtsstreitigkeiten
geführt werden? Auch dies lässt sich den Protokollen über die WEG-Versammlungen
entnehmen, ist aber für den Kaufvertrag und dessen Durchführung völlig
unerheblich und würde daher mit keiner Silbe und an keiner Stelle erwähnt
werden. Aus diesem Grund ist ein Ende mit Schrecken oft besser als ein
Schrecken ohne Ende. Und das vorher investierte Geld ist im Verhältnis zu dem
Kaufpreis und dem später möglicherweise auf Sie zukommenden Ärger aus meiner
Sicht gut angelegt.