Urteil des LG München I:
Keine Irreführung durch Produktaufmachung eines Softdrinks als „Ginger Beer“
Mit
Urteil vom 03.07.2017 (Az. 4 HK O 19176/16) entschied das Landgericht München I dass
die Produktbezeichnung „Ginger Beer“ bestimmten Ausgestaltungen und
Aufmachungen auf dem jeweiligen Produktetikett nicht irreführend ist, obwohl es
sich nicht um ein durch Gärung auf der Grundlage von Gerstenmalz gewonnenes
Getränk handelt und somit auch nicht als „Bier“ im Sinne des § 1 Abs. 1 der
Bierverordnung einzuordnen ist.
Irreführung des
Verbrauchers ?
Die
Klägerin trug im Verfahren vor, die
Bezeichnung „Ginger Beer“ sei gemäß § 5 Abs. 1 UWG irreführend. Inhaltlich
stützt sie sich dabei auf ein früheres Berliner Verfahren aus den Jahren 2011
(erstinstanzlich) und 2012, in dem die Bezeichnung „Ginger Beer“ noch als
irreführend angesehen wurde. So hat das Kammergericht mit Urteil vom 12.10.2012
(Az.: 5 U 19/12) ausgeführt, dass die Bezeichnung „Ginger Beer“ vom
inländischen Durchschnittsverbraucher als Hinweis auf Bierbestandteile
verstanden werde. Deshalb sei die Bezeichnung „Ginger Beer“ für ein Getränk,
welches kein Bier enthalte, sondern ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit Ingwer
ist, irreführend.
Verstoß gegen die
Bierverordnung ?
Zudem
liege nach den Ausführungen der Klägerin auch ein Verstoß gegen die
Bierverordnung vor. Nach § 1 Abs. 1 Bierverordnung dürfe unter der Bezeichnung
„Bier“ nur Getränke vertrieben werden, die durch Gärung auf der Grundlage von
Gerstenmalz gewonnen seien. Die Beklagte könne sich nach Auffassung der
Klägerin auch nicht auf den Ausnahmetatbestand in § 1 Abs. 2 der Bierverordnung
berufen, da dem verfahrensgegenständlichen Getränk zulassungsbedürftige
Zusatzstoffe zugesetzt worden seien und für diese Zusatzstoffe keine
Ausnahmeregelung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch getroffen
worden sei.
Ginger Beer als Softdrink
mit Ingwergeschmack
Die
Beklagte beantragte Klagabweisung und trug vor, dass keine Irreführung der
Verbraucher vorliege. So ergebe sich bereits aus dem Eintrag bei Wikipedia,
dass „Ginger Beer“ gerade kein Bier sei, sondern ein kohlensäurehaltiges,
alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit kräftigem Ingwergeschmack sei. Die Ausführungen
aus den Entscheidungsgründen im Berliner
Verfahren seien nicht mehr aktuell und könnten demnach nicht auf das
streitgegenständliche Verfahren übertragen werden, da Ginger Beer in
Deutschland erst in den vergangenen ein bis zwei Jahren stärkere Bekanntheit
erlangt hat und sich deshalb im deutschen Sprachgebrauch etabliert habe.
Weiterhin
trägt die Beklagte vor, dass ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 der Bierverordnung
nicht vorliege, da hier die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 der
Bierverordnung gelte. Zudem seien sämtliche streitgegenständlichen Getränke
gegoren und im jeweiligen Herstellungsland (Australien bzw. Schottland) unter
der Produktbezeichnung „Ginger Beer“ verkehrsfähig.
LG München I: Obwohl kein
„Bier“, ist Bezeichnung als „Ginger Beer“ erlaubt
Das
Landgericht München I folgte entgegen der alten Berliner Entscheidung aus 2012
der Auffassung der Beklagten und wies die Klage mangels Vorliegen von
Irreführung des Verbrauchers vollumfänglich ab. Zur Begründung führte die
Münchener Kammer aus, dass die Kammermitglieder selbst zu den angesprochenen
Verkehrskreisen gehören und die Bezeichnung „Ginger Beer“ aus eigener
Wahrnehmung kennen. Es sei Ihnen jedoch bekannt, dass es sich hierbei nicht um
ein Bier sondern um ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk handelt, dass in
englischsprachigem Ausland unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ (ähnlich wie
„Ginger Ale“) bereits seit Jahrzehnten vertrieben und konsumiert wird.
Dieses
eigene Verkehrsverständnis wird untermauert durch den von der Beklagten
vorgelegten Wikipedia-Auszug, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass es sich unter
der Bezeichnung „Ginger Beer“ um einen Softdrink handelt. Insbesondere werde in
der konkreten, angegriffenen Ausführungsform deutlich, dass gerade kein „Bier“
sondern „Ginger Beer“ vertrieben wird, da die Bezeichnung „Ginger Beer“ in
einem Schriftzug verwendet wird, bei dem die Bestandteile „Ginger“ und „Beer“
in einem Schriftzug verwendet werden und gleich groß sind. Der Verkehr kann
daher unschwer erkennen, dass es sich bei den angegriffenen Produkten nicht um
„Bier“ handelt, sondern um „Ginger Beer“.
Ein
Verstoß gegen die Bierverordnung scheitert nach Münchener Auffassung bereits
daran, dass die angegriffenen Produkte gerade nicht unter der Bezeichnung
„Bier“ in den Verkehr gebracht werden und somit § 1 Abs. 1 der Bierverordnung
nicht anwendbar ist.
Insgesamt
liegt nach mittlerweile rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I keine
irreführende Werbung vor durch die Produktbezeichnung „Ginger Beer“ bei einem
alkoholfreiem Erfrischungsgetränk vor, sodass die Bezeichnung von
Getränkeherstellern auch in Deutschland wieder verwendet werden kann.
Auswirkungen des Urteils
auf Bierimporteure und Brauer
Das
Münchener Landgericht hat in vorliegendem Urteil eine bemerkenswerte
Entscheidung getroffen und den Gestaltungsspielraum für ausländische und
inländische Getränkehersteller bei der Wahl ihrer Produktbezeichnung deutlich
erweitert. Importeure von Getränken sollten nunmehr sorgfältig überlegen, ob
eine kostenintensive Namensänderung des jeweiligen Getränkes für den deutschen
Vertrieb notwendig ist.
Bemerkenswert
ist die Entscheidung vorliegend aber auch deshalb, da es sich in Deutschland
bei dem Getränkeprodukt „Bier“ um einen äußerst „sensiblen“ Bereich handelt
(das „Oktoberfest“ lässt grüßen), zumal ein herkömmliches Bier
nach wie vor zu den beliebtesten Getränken der Deutschen gehört. Hinzu
kommt, dass das Bier in Deutschland rechtlichen Schutz erhält zum einen durch
das Reinheitsgebot von 1516, wonach Bier nur bestimmte Inhaltsstoffe haben darf,
die aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser bestehen müssen. Zum anderen wird die
Bezeichnung „Bier“ auch in der in dem Urteil angesprochenen Bierverordnung (§ 1
Abs. 1 BierV) geschützt.
Ein
wenig aufgeweicht wurde der umfassende und absolute Schutz des Bieres in
Deutschland durch ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 1987 (EuGH, Urteil vom
12.3.1987, Rs 178/84). Hier wies der Europäische Gerichtshof bereits darauf
hin, dass es nicht vereinbar mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs
innerhalb der Europäischen Union ist, wenn in Deutschland ausschließlich Bier
nach dem deutschen Reinheitsgebot als solche benannt und vertrieben werden
dürfen, wenn es auch in den anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig und in Verkehr
gebrachte Biere gibt, die somit auch diskriminierungsfrei in Deutschland
vertrieben werden dürfen.
Die
Anwendung und Auslegung des aktuellen (auch eigenen) Verkehrsverständnisses
führte vorliegend bei den Münchenern Richtern dazu, in Abweichung einer
Berliner Entscheidung einige Jahre zuvor, dass an sich in Deutschland tradierte
Bild der „starren“ Bezeichnung „Bier“, flankiert durch die Normierungen aus
Reinheitsgebot und Bierverordnung aufzuweichen und dem jeweiligen
Verkehrsverständnis anzupassen. So kam es zu dem Urteil des Landgerichts
München I, wonach Ginger Beer kein „Bier“ (im Sinne der Bierverordnung und des
Reinheitsgebots) ist, dennoch aber „Ginger Beer“ heißen darf. Wohl bekomm`s!
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